Ein Interview von Lars Jacobsen über FRAM und den Klimawandel
Hallo André, ihr habt FRAM Science Travel gegründet. Kannst du uns kurz erzählen, wie genau eine wissenschaftliche Reise aussieht?
Eine Tour mit uns kann ganz unterschiedlich aussehen. Bei unseren Lehrexkursionen an der Uni arbeiten wir natürlich ganz nah an der Wissenschaft. Je nach Fachrichtung und Semester vermitteln wir geographisches und biologisches Grundwissen, oder bringen den Studenten schlichtweg Mess- und Arbeitsmethoden in der Natur bei. Da unsere Exkursionen immer an recht „ausgefallenen“ Orten stattgefunden und anscheinend auch thematisch den Zeitgeist getroffen haben, bekamen wir zunehmend Anfragen von Nicht-Studenten, wodurch vor mehreren Jahren erstmals die Idee geboren wurde FRAM zu gründen.
Jetzt nehmen wir einerseits auch „externe“ Teilnehmer auf unsere Studentenxkursionen mit, andererseits haben wir auch Touren entwickelt die sich ganz klar an „Jeden“ richten, der sich intensiver mit Themen wie Landschaftsentwicklung, Ökologie, Klimawandel, Naturschutz aber auch gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen möchte. Der Ablauf ist ganz abhängig von der Art der Exkursion. Ich mache zum Beispiel jedes Jahr eine Alpenüberquerung, wo man quasi nebenbei jeden Tag unterschiedliche Inputs über die Entstehung der Alpen, den Landnutzungswandel etc. bekommt. Wir besuchen das Alpine Forschungszentrum in den Ötztaler Alpen wo wir auch eine ganze Woche zum Thema „Hochgebirgsforschung“ anbieten. Auf den Lofoten arbeiten wir zum Beispiel eng mit Meeresbiologen zusammen und fahren raus zu den Orcas und Pottwalen. In Alaska und auf Spitzbergen geht es dann richtig in die Wildnis und rauf auf die Gletscher. Ziel dabei ist immer ein tieferes Verständnis für die Zusammenhänge in der Natur zu schaffen und natürlich einzigartige Momente zu bieten.
Was bedeutet der Name FRAM?
Die FRAM ist das Schiff mit dem Fridtjof Nansen der 1893 zu seiner Eisdrift-Expedition in Richtung Nordpol aufgebrochen ist. 1910 diente sie dann Roald Amundsen für seine erfolgreiche Südpol-Expedition. Schon als Kind habe ich diese Expeditionsliteratur geliebt. Die Geschichten um die Pionierleistungen von Nansen, Franklin, Hillary und Messner sind vor allem deshalb so faszinieren weil sie wirklich stattgefunden haben. Noch jetzt faszinieren mich die Menschen aber auch die Dramen hinter den Expeditionen die über die Grenzen der bekannten Welt hinausführten. Daher kannte ich auch die FRAM, die für mich immer ein Symbol für Entdeckergeist und Abenteuerlust war. Darüber hinaus war Sie eine Plattform für Wissenschaftler durch die zwischen Nord- und Südpol zahlreiche Erkenntnisse gewonnen wurden. Der Gedanke selbst einmal eine solche Plattform für „Wissenschaft & Abenteuer“ zu gründen begleitete mich mein ganzes Studium. Da war die Namensfindung dann recht leicht.
Wo kann man mit euch als Nächstes hin?
Die nächste Tour mit mir findet in der Ostsee zwischen Rügen und Bornholm statt. Dort oben liegt die „Tortuga“, ein vollständig restaurierter segelfähiger Krabbenkutter. Da das Schiff in Familienbesitz ist habe ich die einmalige Möglichkeit mir einen kleinen Traum zu erfüllen. Ich möchte die Tortuga im nächsten Jahr zu einem Schulschiff für Meeresökologie und Küstenentwicklung ausbauen. Jetzt gerade habe ich den ersten Workshop ausgeschrieben auf dem ich mit anderen Wissenschaftlern, Studenten, Umweltpädagogen etc. Konzepte für Exkursionen, Experimente und Forschungsfragen entwickeln möchte. Gerade habe ich schon Angebote für einen Sedimentgreifer, Mikroskope und Temperaturlogger auf dem Tisch liegen.
Zwei Wochen später fliege ich dann mit einer gemischten Gruppe aus Studenten und Gästen nach Spitzbergen. Das ist jedes Jahr mein Exkursionshighlight. Das Zusammenspiel aus Geologie, Klima und Siedlungsgeschichte hat hier eine unglaublich spannende Region hinterlassen, in der man aber auch leider sehr deutlich die Auswirkungen des Klimawandels sehen und spüren kann.
Das Thema Klimawandel und die Rettung unseres Planeten ist dank Donald Trump aktueller denn je geworden. Da wir mit euch echte Experten an der Angel haben, erzählt doch mal, wie denken die Wissenschaftler, die sich mit dem Thema auskennen, über das Thema und wie schlimm sieht es wirklich aus. Habt ihr Fakten zum Thema Klimawandel (Schaue mal was da an Fakten passen könnte oder ob ich mich bei der Frage noch etwas konkreter ausdrücken sollte)?
Ja, tatsächlich hat diese unfassbar kurzsichtige Entscheidung von Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, die Medienpräsenz des Klimawandels mal wieder etwas erhöht. Aus wissenschaftlicher Sicht eine absolut nicht nachvollziehbare Handlung. Wie so oft stützt Trump seine Entscheidungen aber nicht auf wissenschaftlichen Tatsachen, diese besagen nämlich eindeutig, dass das Klima sich verändert, und die damit in Verbindung stehenden Temperaturerhöhungen eindeutig mit dem Ausstoß von Treibhausgasen aus Verkehr-, Energie- aber auch Landwirtschaft in Verbindung stehen. Die sogenannte Klimawirksamkeit von Kohlenstoffdioxid oder Methan ist sehr wohl bekannt und man kann den „menschlichen Anteil“ des Klimawandels ziemlich gut berechnen. Darüber besteht auch in der Wissenschaft ein klarer Konsens. Eine aktuelle Metastudie hat insgesamt 33.700 wissenschaftliche Artikel untersucht, die zu dem Suchbegriff „Climate Change“ gefunden wurden. Nur 34 (!) dieser Artikel zweifelten den menschlichen Anteil am Klimawandel tatsächlich an. Daraufhin habe ich mich als Vorbereitung für eine Veranstaltung zu dem Thema mal intensiver mit den Argumenten der „Zweifler“ beschäftigt, da diese ja in der Gesellschaft deutlich stärker vertreten sind. Das war ziemlich unterhaltsam, aber leider auch sehr beunruhigend!
Untersucht ihr bei FRAM Auswirkungen des Klimawandels in bestimmten Regionen oder an bestimmten Beispielen?
Klar, obwohl man oft nur genau hinsehen muss um die Veränderungen wahrzunehmen. Besonders beachtlich ist natürlich das Abschmelzen der Gletscher, insbesondere in den Alpen. Wenn man dort regelmäßig auf dem Eis unterwegs ist und die Aufstiegsrouten auf manche Gipfel jedes Jahr begeht, muss man kein Experte sein um zu sehen, dass es wärmer wird.
Darüber hinaus kann man den Klimawandel, wenn man sich etwas intensiver mit den Prozessen in der Natur auseinandersetzt, gar nicht ausblenden. Die enormen Temperaturzunahmen führen gerade dazu, dass sich die Ökosysteme auf allen Betrachtungsebenen nicht mehr im Gleichgewicht befinden, was überall zu Veränderungen führen wird. Bei all diesen Erfahrungen kann ich einfach nicht nachvollziehen, wie offenbar gebildete Menschen den Klimawandel weiterhin anzweifeln können.
Bei jeder Exkursion die wir machen betreiben wir deshalb unterschiedliche Monitoring- und Forschungsprojekte zu den Veränderungen in der Umwelt, welche durch die enormen Eingriffe des Menschen in die Natur verursacht werden. Wir sammeln Plastikmüll in der Arktis, beobachten die Dorschbestände in der Ostsee, vermessen die Gletscher in den Alpen. FRAM soll also nicht nur ein Exkursionsunternehmen sein. Wir ermöglichen uns mit den Exkursionen eine gewisse Unabhängigkeit um unsere Forschungs- und Lehrprojekte umsetzen zu können.
Hört man sich diese Klimawandel-Zweifler an, scheinen diese aber oft sehr überzeugt von ihrer Meinung zu sein. Wie argumentieren Menschen wie Trump, die Petry etc.?
Lacht ;-). Eigentlich argumentieren diese Leute gar nicht. Ich habe mir diesen ganzen Quatsch schon hunderte Male anhören müssen, und es ist immer wieder dasselbe. Eine beliebte Taktik ist der Vergleich unterschiedlicher Quellen. Das Wissenschaftler sich manchmal anderer Methoden bedienen, oder die Erkenntnisse sich im Laufe der Zeit verändern, wird dabei einfach ignoriert. Somit versucht man die Wissenschaftler als unglaubwürdige Scharlatane zu entlarven. Aber diese Leute gehören meist eh der Fraktion der Verschwörungstheoretiker an. Da kommt man dann mit Argumenten meist eh nicht mehr weiter…
Eine beliebtes Vorgehen der Zweifler ist auch das bewusste weglassen von Argumenten. Eine typische Stammtisch-Floskel a la Frauke Petry: „Das Klima ist seit Beginn der Erdgeschichte stetig im Wandel. Die aktuellen Schwankungen sind also ganz normal und nicht menschengemacht. Die CO2-Konzentration in der Atmosphäre war schon damals auch immer eine Folge des Temperaturanstiegs und nicht dessen Ursache.“
Das ist natürlich vollkommen richtig, dabei werden aber ganz zentrale Fakten unterschlagen. Sonnenaktivität, Erdachsneigung etc. haben in der Erdgeschichte zu großen Veränderungen des Klimas geführt, die unter anderem auch eine Veränderung der CO2-Konzentration zur Folge hatte. Die Klimawirkung dieser Faktoren ist bekannt und kann berechnet werden. Leider lassen sich die aktuellen Veränderungen der Temperatur durch diese natürlichen Klimatreiber nicht erklären. Und hier kommen die atmosphärischen Gase wie Kohlenstoffdioxid oder Methan ins Spiel, deren Auswirkung auf das Klima ebenfalls schon vor langer Zeit von zahlreichen Wissenschaftlern beziffert wurden. Die aktuellen Klimaveränderungen lassen sich nur durch den Anstieg dieser Spurengase in der Erdatmosphäre erklären. Mir ist nicht klar, wie Politiker dabei weiterhin behaupten können, dass 35 Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid, die wir u.a. jährlich in die Atmosphäre pusten, sich einfach nicht auf die Atmosphäre auswirken sollen.
Was passiert mit dem Planeten aus der Sicht von Wissenschaftlern, wenn wir so wie jetzt weiter machen?
Ich denke die unterschiedlichen Szenarien sind derweil bekannt. Ein weiterer Temperaturanstieg, schon unterhalb der berühmten 2 Grad Grenze, wird zu deutlichen Veränderungen auf unserem Planeten führen. Leider werden wir uns dabei nicht nur von den Gletschern oder ein paar zusätzlichen Arten verabschieden müssen. Auch der Lebensraum des Menschen wird durch den Anstieg des Meeresspiegels, Desertifikation und die deutliche Zunahme von Unwetterereignissen einen großen Teil seines Lebensraumes einbüßen müssen. Das Konfliktpotenzial bei einer weiter zunehmenden Weltbevölkerung liegt dabei auf der Hand.
Die potenziellen Folgen des Klimawandels sind, spätestens seit den Filmen von Al Gore (Eine unbequeme Wahrheit) oder Leonardo (Before the Flood), auch der breiten Öffentlichkeit bekannt. Über einzelne Aussagen in den Filmen kann man immer wieder streiten, aber letztendlich steht im offiziellen IPCC Bericht mehr oder weniger das gleich. In der Wissenschaft hat man schon lange aufgehört an einzelne Modellaussagen zu glauben. Man betrachtet immer die Summe aller Aussagen in einem „Ensemble“. Und hier steht der Trend ganz klar fest. Die Temperaturen steigen, und die Folgen dessen sind ebenfalls eindeutig. Leider verstehe ich absolut nicht, wie man bei so viel Klarheit noch die Füße still halten kann.
Wir als Reisende bekommen ja auch mit, wie sich das Wetter ändert. Man munkelt ja, dass wenn der Klimawandel fortschreitet, es gut sein kann, dass sich auch die Strömungen der Meere verändern. Was passiert mit Europa, wenn plötzlich der Golfstrom abreißt?
Puh, ja, dieses Thema wird in der Wissenschaft im Augenblick heftig diskutiert. Fest steht, dass der Golfstrom nachlässt, was auf die zusätzliche Süßwassermenge zurückzuführen ist, die durch die Eisschmelze am Nordpol in den Nordatlantik gelangt. Hierzu gibt es diverse Untersuchungen und auch Modellrechnungen, deren Aussagen aber mit Vorsicht zu genießen sind. In einem Extremfall könnte sogar tatsächlich der Golfstrom abbrechen, was zu einem deutlichen Temperaturabfall in Europa führen würde. Global betrachtet würde sich hierdurch zwar die Temperaturverteilung ändern, die Durchschnittstemperatur auf unserem Planeten würde jedoch trotzdem weiter steigen. Kurz gesagt, sollte dieser Fall eintreffen wird dies keinesfalls zu einer Dämpfung des globalen Klimawandels, sondern eher zu noch viel größeren Problemen führen. Jedenfalls hat es solche abrupten Temperaturveränderungen in der jüngeren Erdgeschichte immer wieder gegeben. Die Wissenschaftler sind sich ziemlich sicher, dass diese plötzlichen Temperaturschwankungen immer auf eine Veränderung der Meeresströmungen zurückzuführen war.
Seht ihr es als realistisch an, dass sich die Menschheit demnächst ändern wird und wir doch noch die Kurve bekommen?
Die Temperatur“kurve“…, ja. Ehrlich gesagt fällt es mir als Vater zunehmend schwerer mich ständig mit diesen düsteren Fakten und Szenarien auseinandersetzen zu müssen. Eine gehörige Portion Optimismus und Aktionismus gehören deshalb dabei zu meiner täglichen Therapie. Ich sehe viele positive Impulse, überall auf der Welt, und ich bin mir sicher, dass diese Kräfte sich selbst verstärken werden. Ein vehementer Blick in die Zukunft und eine Umstrukturierung auf soziale und politischer Ebene ist dabei unumgänglich. Es wird sich deshalb auch in den kommenden Jahren viel verändern müssen. Ich sehe das aber als Chance, als Möglichkeit für uns auch mal wieder die Ärmel hochzukrempeln und mit anzufassen. Was jeder von uns im einzelnen tun oder lassen kann ist natürlich ein eigenes Thema für sich. Aber egal wie effektiv sich unser Handeln letztendlich auf den Klimawandel auszuwirken vermag, fest steht, dass ein nachhaltiger Umgang mit unseren Ressourcen einen zentralen Stellenwert in unserem Bewusstsein und in der Politik einnehmen muss.